Nach drei Etappen hatte ich langsam eine Ahnung, was mich auf dem Camino Frances wohl erwarten würde. Die Etappe nach Pamplona war extrem hart gewesen, aber ich freute mich schon auf den Weg bis in die nächste größere Stadt, Logroño.

Etappe 4: Pamplona – Cizur Menor (4.8km)

Federico hatte einen straffen Zeitplan und musste verhältnismäßig schnell nach Santiago kommen und so mussten wir in ziehen lassen. Wir anderen drei hatten diesen Tag als aktiven Erholungstag auserkoren und wollten nur bis ins nächste Dorf außerhalb der Stadt wandern. Grund hierfür war auch das Höhenprofil des nächsten Bergs im Wanderführer, welches uns sehr einschüchterte. Als wir dann aus dem Hotel auschecken mussten, verließen wir fast schon am frühen Mittag Pamplona und lernten etwas ganz Wichtiges: Aus einer größeren Stadt herauspilgern macht KEINEN Spaß. Auf dem Weg aus der Stadt machten wir noch kurz beim Postamt Halt und schickten jeweils einige Kilogramm überflüssige Ausrüstung nach Santiago vor. In Cizur Menor angekommen bezogen wir Quartier in einer sehr schönen Herberge und zogen das übliche Programm aus einkaufen, kochen und essen durch – natürlich mit einem Feierabend-Bier! Nach unserer Portion Nudeln waren wir jedoch noch nicht gesättigt und nahmen im Ort unser erstes und auch das mit Abstand auf dem gesamten restlichen Weg leckerste Pilgermenü ein. Unseren Schlafsaal teilten wir unter anderem mit dem hageren Shane aus Green Bay, USA, der sich selbst als „very fast walker“ bezeichnete. Dass er sein Gepäck immer ans Etappenziel vorschickte, ließen wir ihm gerne durchgehen, denn er wirkte auf uns schwer krank – trotzdem eine absolute Frohnatur.

Etappe 5: Cizur Menor – Puente la Reina (18.9km)

Was hatten wir uns Gedanken ob des Höhenprofils des Alto del Perdon gemacht… Und dann standen wir nach 9km bei sehr angenehmen Temperaturen oben, praktisch ohne es gemerkt zu haben. So lernten wir eine weitere wichtige Lektion: Die Höhenprofile im Wanderführer sehen gerne mal deutlich furchteinflößender oder harmloser aus, als sie dann tatsächlich sind. Hochmotiviert wanderten wir weiter und hatten bis auf die letzten paar Kilometer in der unvermeidlichen Mittagshitze keinerlei Probleme. In Puente la Reina kamen wir in einer Herberge am Ortseingang unter und bezogen ein, für die allgemeine Stimmung rückblickend deutlich zu enges und kleines, Dreibettzimmer. Dann wurde (natürlich) noch im Ort eingekauft und ein sehr enttäuschendes Pilgermenü (wohl eher Frittiertes Allerlei) verspeist.

Etappe 6: Puente la Reina – Estella-Lizarra (21.8km)

Über die namensgebende Brücke verließen wir den Ort im Morgengrauen. Den eher unspektakulären Weg nach Estella bewältigten wir mit nur zwei größeren Pausen. Eine davon verbrachten wir im Schatten einer wunderbaren Pilgeroase am Wegesrand; frisches Obst gab es auch! Im Schlussspurt litt ich erneut sehr unter der Mittagshitze, aber bald waren wir an der Jugendherberge, in der wir vorab ein Zimmer gebucht hatten. Wir hätten uns ruhig mehr Zeit lassen können, denn die Herberge war mittagspausenbedingt noch geschlossen. Also warteten wir auf schattigen Bänken vor der Herberge, bis wir hineingelassen wurden. Beim Blick in Spotify sah ich: Eminem hatte unangekündigt sein Album „Kamikaze“ veröffentlicht – so war die Wartezeit erst recht kein Problem mehr. Nachdem wir unser Zimmer bezogen und eine kleine Mittagspause gemacht hatten, stand der übliche Stadtspaziergang (einkaufen und essen) an, an diesem Tag jedoch mit einer Besonderheit: In Estella gibt es – wichtiges Wissen für jeden Pilger – einen Decathlon! Natürlich konnten wir uns NICHT beherrschen und shoppten munter los. Ich war hinterher um eine Wandershorts und ein Paar Socken „reicher“. Nach diesem Highlight ging aber auch dieser Tag wieder früh zu Ende, denn am nächsten Morgen sollte es ja möglichst früh weitergehen.

Etappe 7: Estella-Lizarra – Torres del Rio (29km)

Nach einem herzhaften Frühstück machten wir uns auf den Weg und passierten bald den berühmten Weinbrunnen der Bodega Irache – wir blieben aber standhaft. Nach 9km erreichten wir den ersten und einzigen Berg des Tages. Von dort erwartete uns nun ein 12km langer weitestgehend schattenloser Abschnitt bis zum nächsten Ort, Los Arcos. Der Wanderführer machte uns Hoffnung, dass es etwa auf der Hälfte der Strecke eventuell einen Imbiss geben könnte, vielleicht aber auch nicht. Als wir den Imbiss erreichten hatte er tatsächlich geöffnet und wir konnten einen Orangensaft im Schatten genießen. Außerdem warf ich nun mal einen Blick auf meine schmerzenden Zehen und verpflasterte sie großzügig, nachdem ich sie teilweise blutig vorgefunden hatte. Die Schmerzen in Kombination mit der abartigen Hitze ließen mich zeitweise daran zweifeln, dass ich Los Arcos und unser eigentliches Ziel, Torres del Rio, was nochmal ein Stück weiter als unser Zwischenziel war, erreichen würde. Wir hörten jetzt alle Musik, wanderten etwas distanziert voneinander, sprachen nicht, und beschäftigten uns mit uns selbst und dem Weg. Das erste Gespräch kam dann am Ortseingang von Los Arcos zustande, als wir uns dort an einem Café niederließen. Auch wenn die bisherige Strecke eine wahre Qual gewesen war, war es immer noch recht früh, Torres del Rio wollten wir also schon noch erreichen. Wer gedacht hatte, wir hätten das schlimmste nun hinter uns, wurde in der folgenden Hitzeschlacht eines Besseren belehrt: Die verbliebene Strecke des Tages bot uns bestes Training für das anstehende und gefürchtete Gebiet der Meseta, der spanischen Kornkammer, mit ihren schattenlosen, schnurgeraden Wegen durch nicht enden wollende Getreidefelder. Wir betrieben nun Schatten-Hopping, wanderten also in unserem eigenen Tempo und trafen uns für eine kurze Pause in jedem sich bietenden Schatten. Irgendwann am frühen Nachmittag trafen wir dann in Torres del Rio ein und quartierten uns in der Pilgerherberge ein. Wir teilten uns das Zimmer mit einer Isländerin – nie zuvor hatte ich einen Menschen von dort getroffen und war fasziniert von den sehr blauen Augen der älteren Dame – und einer Kanadierin, die in perfektem Englisch darauf hinwies, dass ihr Englisch sehr schlecht sei, schließlich käme sie aus dem französischsprachigen Teil Kanadas. Ein Abendessen mit etwas Rioja-Rotwein später lagen wir dann im Bett und versuchten schnellen Schlaf zu finden.

Etappe 8: Torres del Rio – Logroño (19.9km)

Logroño, die nächste größere Stadt seit Pamplona stand auf dem Programm, und vollmotiviert powerten wir die ersten 10km durch. Dann machte sich aber zumindest bei mir der kaum erneuerte Energietank bemerkbar und ich musste mit erneuerten Tapes, Zucker und Koffein nachhelfen. Zwischendurch trafen wir immer wieder die Kanadierin wieder, die mit ihren über 70 Jahren (!) einen mindestens 60l-Rucksack in gemächlichem, aber stetigem Schildkrötentempo durch die Landschaft trug und dabei so konstant ohne Pause lief, dass wir sie auch noch am nächsten Tag wiedersehen sollten. Kurz vor unserem Ziel verließen wir die Navarra und wanderten nun durch La Rioja. In Logroño angekommen suchten wir uns eine Unterkunft – die Auswahl hier war natürlich riesig – und spazierten nach unserer Siesta noch durch die Stadt auf der Suche nach einem Supermarkt und Abendessen. Im saunaartigen Dreibettzimmer konnte dann keiner so wirklich gut einschlafen…

Unser Großstadthopping ging weiter: Auf dem Weg nach Burgos hatten wir ein besonderes Herbergserlebnis und unsere Gruppe schrumpfte – mehr dazu hier!

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