Zwei bedeutende Anstiege, darunter der höchste Punkt des Caminos, das legendäre Cruz de Ferro. Zwei Etappen von über 30km. Der Weg bis kurz vor den 100km-Ort Sarria. Und eine bedeutende Entscheidung für die Zeit nach Santiago. All das erwartete uns in den 8 Tagen nach Leon…
Etappe 23: Leon – Villar de Mazarife (20.6km)
Nachdem ich 9 Stunden wie ein Toter durchgeschlafen hatte, starteten wir erst gegen halb 8 aus Leon. Unnötig zu sagen, dass der Weg aus der Stadt heraus sehr nervig und beschwerlich war. Als wir das Stadtgebiet schließlich hinter uns hatten, pausierten wir nach 7km in Virgen del Camino und trafen dort auf Reto, Maria und Andre (letztere beiden hatten wir am Vorabend kennengelernt, aber natürlich auch schon zuvor mal auf dem Weg gesehen). Gemeinsam wanderten wir weiter und erreichten recht zeitig Villar de Mazarife, wo wir uns gemeinsam in ein 6er-Zimmer einquartierten. Am frühen Abend traf dann auch tatsächlich noch Ricki ein, die sich offensichtlich gar nicht von ihrem Hotelzimmer in Leon hatte trennen können, und komplettierte unser Zimmer. Den Abend verbrachten wir dann noch in fröhlicher Runde.
Etappe 24: Villar de Mazarife – Valdeviejas (34km)
Als 6er-Gruppe brachen wir auf und frühstückten ganz klassisch nach 10km im ersten Dorf. Wir wanderten weiter und pausierten in Hospital de Orbigo mit Blick auf eine sehr schöne Brücke erneut. Nach 20km ließen wir schweren Herzens Maria und Reto zurück, die ihr Tagesziel erreicht hatten. Alexander hatte Andre mittlerweile so viel von unserer Marathon-Etappe erzählt, dass dieser ganz heiß darauf war, auch eine 40km-Etappe abzureißen. Wir waren recht guten Mutes, ihm folgen zu können, doch die Hitze ließ uns sehr leiden und mir machten meine Blasen zunehmend zu schaffen. Zum Glück fand sich eine der seltenen, aber dafür umso beglückenderen Pilgeroasen – irgendwo am Wegesrand, wo wir nie damit gerechnet hätten, hingen Hängematten im Schatten und wurde frisches Obst angeboten. Astorga verließen wir danach noch mit Andre, waren dann aber sehr froh, als wir 2km später eine Herberge fanden. Andre ließen wir ziehen und sahen ihn nicht wieder. Zu dritt bezogen wir ein Zimmer und waren somit nach zwei Wochen vorübergehend wiedervereint. Das Abendessen wurde dann zum wohl interessantesten auf dem ganzen Weg: Da die Herberge irgendwo im Nirgendwo hinter Astorga lag, gab es in der Nähe keine Einkehrmöglichkeiten und in der Herberge selbst gab es ebenfalls nichts. Dafür wurden wir dann von einem Geländewagen abgeholt und einige Kilometer zu einem Restaurant gefahren und später auch wieder zurück zur Herberge gebracht – offensichtlich eine symbiotische Geschäftsbeziehung zwischen Herberge und Restaurant. Mir verursachte dies allerdings echte Gewissensbisse, war dies doch das erste Mal in mehr als drei Wochen, dass ich eine Strecke nicht zu Fuß bewältigte.
Etappe 25: Valdeviejas – Foncebadon (23km)
Nach einer recht erholsamen Nacht, in der sich auch meine schmerzenden Füße hatten erholen können, wanderten wir zu dritt los. Ich fühlte mich ziemlich fit und wanderte immer ein Stück voraus, wartete dann aber natürlich regelmäßig, vor allem an guten Pausenplätzen, auf die anderen. So pausierten wir unter anderem in einer Bar, die offensichtlich von einem USA-Fan betrieben wurde – Plakate, Kennzeichen und sonstige Devotionalien legten davon klares Zeugnis ab und schufen eine auf dem Jakobsweg wohl einmalige Atmosphäre. Gegen Mittag hatten wir unser Minimalziel für den Tag, Rabanal del Camino, erreicht und beschlossen nach einer längeren Pause, noch das 6km weiter entfernte Foncebadon anzusteuern. Auf dem Weg dahin erwartete uns ein Anstieg von gut 250 Höhenmetern – ich flog förmlich vorneweg, mein Wanderego war mal wieder geweckt. Am Ende erreichte ich das halbverfallene Dorf von Foncebadon fast eine halbe Stunde vor meinen Mitstreitern. Noch vor der Herbergssuche belohnten wir uns mit einem großen Bier, quartierten uns dann in einer der fünf Herbergen des Ortes ein und gingen später noch Abendessen.
Etappe 26: Foncebadon – El Acebo (11.2km)
Die Nacht war unruhig und wenig erholsam gewesen, aber wir hatte eine große Motivation noch im Dunkeln zu starten: Kurz hinter Foncebadon würden wir das Cruz de Ferro und damit den höchsten Punkt (1528m) des Camino Frances erreichen – wie großartig es wohl wäre, dort den Sonnenaufgang zu erleben? Dafür waren wir dann doch zu spät, der Sonnenaufgang erwischte uns auf halbem Weg hoch, war aber dennoch magisch. Das Cruz de Ferro dafür war eher enttäuschend, die unvermeidlichen Fotos davor wurden natürlich dennoch gemacht. Wir wanderten weiter und sahen immer wieder Werbung für eine Herberge in El Acebo – vor allem die Fotos von den großzügigen Wiesen und einem Pool ließen uns schließlich schwach werden. Obwohl erst 11km geschafft waren, blieben wir dort und bereuten es nicht. Am Ortseingang von El Acebo nahmen wir erstmal einen Mittagssnack mit einigen bekannten Pilgern ein, dann liefen wir noch das kurze Stück zur Herberge. Diese war wirklich sehr modern und bot viel Platz zur Erholung – im Pool war dann freilich keiner von uns dreien. Nach ausgiebiger Siesta auf der Wiese in der Sonne liegend, einem Einkauf im kleinen Dorfladen, und schließlich einem Abendessen (Pizza!) beendeten wir auch diesen Tag.
Etappe 27: El Acebo – Camponaraya (25.4km)
Die Nacht war sehr erholsam gewesen und so starteten wir erst gegen kurz vor 9 Uhr – allerdings mit einem bedeutenden Einschnitt: Alexander blieb zurück und wollte auf Maria warten, um mit ihr weiterzuwandern. In Molinaseca nach 8km pausierten Ricki und ich das erste Mal und frühstückten. Weitere 8km später hatten wir dann gegen 13 Uhr auch schon Ponferrada erreicht, wo ich in einer „Farmacia“ mal wieder meine Vorräte aufstockte, Ricki sich einen neuen Credencial (Pilgerpass) besorgte und den Decathlon besuchte. In unverminderter Mittagshitze zogen wir dann nach Columbrianos weiter, nach 3km war auch dieser Ort erreicht. Nach kurzer Pause und Diskussion bei einer Dose Cola, beschlossen wir noch einen Ort weiterzuwandern und erreichten am frühen Abend Camponaraya. Dort aßen wir dann nur noch zu Abend und sanken bald ins Bett.
Etappe 28: Camponaraya – Vega de Valcarce (31.3km)
Wir hatten in einem großen Schlafsaal genächtigt, entsprechend unruhig war die Nacht gewesen. Daher machten wir uns noch vor 7 Uhr auf den Weg mit dem Ziel möglichst viel Strecke zu machen, um am nächsten Tag eine gute Ausgangsposition für den letzten nennenswerten Anstieg des Caminos zum O-Cebreiro-Pass, zu haben. Nach 7km pausierten wir Cacabelos und weitere 8km später in Villafranca, wobei wir uns zwischen zwei Wegalternativen für die kürzere an der Straße entlang entschieden – nicht der schönste Weg, aber wir wollten eben vorankommen. Bei einem ähnlichen Szenario kurz hinter Villafranca entschieden wir erneut zu Gunsten der Straße und gegen den bergigen Camino duro. Heute würde ich wohl anders entscheiden. So machten wir jedenfalls ordentlich Strecke, aber vergaßen nicht, regelmäßig zu pausieren, da es auch zunehmend wärmer wurde. Nach 25km entschieden wir uns, noch 6km dranzuhängen und erreichten erst am späten Nachmittag und von der Hitze gezeichnet die Herberge. Diese war sehr gepflegt und nett gelegen, und wir nutzten sowohl die Möglichkeit zur Erholung im Garten als auch die zum Wäsche waschen. Daraufhin gingen wir im Ort etwas essen (Burger!), tranken Bier und Rotwein, und wurden von einem Jakobsweg erfahrenen Pilger, der den Weg nun rückwärtsging, vollgetextet. Im Viererabteil, in dem wir uns dann schlafen legten, trafen wir eine Asiatin wieder, die wir bereits in Carrion de los Condes, mehr als eine Woche zuvor, kennengelernt hatten.
Etappe 29: Vega de Valcarce – Fonfria (23.6km)
Bereits nach wenigen Kilometern war der Beginn des Anstiegs erreicht. Wie immer raste ich den Berg hoch und hatte die ersten 250 Höhenmeter Anstieg schnell bewältigt. Hier pausierten wir erstmal für ein Frühstück. Auch die nächsten 400m Anstieg bis zum O-Cebreiro-Pass mit dem Museumsdorf O Cebreiro gestalteten sich sehr machbar, womit der erste Höhepunkt des Tages auf 1378m erreicht war. Danach ging es zunächst wieder runter, nur damit wir uns anschließend in glühender Hitze nochmals einige Höhenmeter zum Alto do Poio (1337m) hochquälen mussten. Im Anschluss daran warteten nur noch 3km entspannten Auslaufens, dann war unser Ziel Fonfria erreicht. Nachdem wir von diesem Tag an in der Region Galizien unterwegs waren, begleiteten uns von nun an die charakteristischen Wegsteine, welche die Distanz bis Santiago auf den Meter genau angaben. In Fonfria kamen wir in einem 16er-Schlafsaal unter, schlugen Zeit auf einer Liegewiese tot und gingen ein Stückchen Richtung Ortsausgang zu einem Restaurant. Auf dem Weg dorthin kam uns ein Pilger entgegen, den ich „Jesus“ taufte – barfuß, mit wirrem Haar und Bart, nur einem Bündel über der Schulter, pilgerte er von Santiago nach Rom!
Etappe 30: Fonfria – San Mamede (28.8km)
Erst gegen 8 Uhr verließen wir Fonfria. Hierbei wanderten wir langsam absteigend durch die Wolken, es entstanden wundervolle Fotos. Bei unserer ersten Pause nach etwa 6km trafen wir mal wieder auf Reto, mit dem wir fortan weiterwanderten. In dieser Pause beschlossen Ricki und ich auch, dass wir nach Ankunft in Santiago noch weiter ans Meer wandern wollten – die Entscheidung war wichtig und eigentlich ein paar Tage zu spät, weil Rickis Rückflug anderthalb Tage eher als meiner ging und wir somit jetzt eigentlich konsequent 30km-Etappen wandern mussten. In Triacastela trennten wir uns von Reto, der dort pausierte, aber da wir wenig später selbst eine erneute Pause einlegten, waren wir bald wiedervereint. Dies war auch möglich, weil er sich hinter Triacastela ebenfalls gegen die längere Wegvariante über Samos entschied und genau wie wir, den Weg über San Xil wählte. Obwohl für uns klar war, dass eine Etappe von weniger als 30km ein No-Go war, mussten wir unseren Tag bereits in San Mamede beenden, da Ricki starke Knieschmerzen hatte. Damit war das Projekt, rechtzeitig ans Meer zu kommen, nur wenige Stunden nach dem Entschluss eigentlich schon wieder gestorben. Außerdem verloren wir so wieder Reto, der noch weiter bis nach Sarria wanderte. In San Mamede wählten wir ein Doppelzimmer, relaxten in Hängematten im Garten und liefen dann nochmal etwa einen Kilometer auf dem Weg zurück, um ein eher spärliches Abendessen einzunehmen.
Was würde Rickis Knie in den nächsten Tagen machen? Würden wir es gemeinsam ans Meer schaffen? Wie ist das Wandern auf dem Camino ab Sarria? Und vor allem: wie war unsere Ankunft in Santiago? All das erfahrt Ihr hier.